Der Bundesvorstand informiert zur neuen Urheberrechts-Diskussion
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
in einigen Presseartikeln und im Netz ist die Rede von einem „Offenen Brief zum Urheberrecht an die Bundesregierung“. Zunehmend erhalten jetzt auch Autorinnen und Autoren diesen Brief von „ihren“ Verlagen, mit der Bitte, ihn zu unterzeichnen.
Der VS Bundesvorstand fordert alle Kolleginnen und Kollegen auf dies nicht zu tun.
Ein Aufruf macht die Runde. Autorinnen und Autoren werden von „ihren“ Verlagen gebeten, einen Brief zur Urhebervertragsrechtsnovelle des Bundesjustizministeriums zu unterzeichnen. Der Bundesjustizminister Maas hat den Referentenentwurf eines „Gesetzes zur verbesserten Durchsetzung des Anspruches der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung“ vorgelegt. Damit soll das Urhebervertragsrecht von 2002 im Interesse auch der Autorinnen und Autoren verbessert werden.
In der Vorbereitung dieses Gesetzentwurfs hat sich der Bundesjustizminister mit vielen Urheberinnen und Urhebern und Kreativen aller Sparten beraten. Auch mit den Vorsitzenden vom VS und dem Übersetzerverband. Es ist gelungen, den Justizminister zu bewegen, deutliche Verbesserungen im Referentenentwurf zu verankern.
Wichtig ist unter anderem, dass Auskunftsansprüche normiert, die Verbandsklage gestärkt und die Schlichtung beschleunigt werden. Eine Steilvorlage für die Kreativen und ihre Verbände liefert der Vorschlag des Justizministers mit einem bedingten Rechterückruf nach 5 Jahren.
Hiergegen läuft der Börsenverein Sturm. Nach seiner Auffassung ist der Schriftstellerverband VS nicht ermächtigt, gemeinsame Vergütungsregeln abzuschließen, „die eine Außenseiterwirkung auf Nichtmitglieder entfalten würden und dadurch eine große Zahl von Urhebern um die Möglichkeit bringen würden, von ihren gesetzlich verbrieften Rechten Gebrauch zu machen.“ Das ist falsch. Der VS ist ermächtigt und hat bereits mit einer Gruppe von Verlagen die Vergütungsregeln Belletristik aufgestellt. Genau solche Vergütungsregeln durch Verbände der Urheber sind aber der leitende – und von Bundesverfassungsgericht gestützte – Kerngedanke des Urhebervertragsrechtes, das schon bei seiner Genese 2002 von den Verlagen abgelehnt wurde. Einen Verlust von „gesetzlich verbrieften Rechten“ können Vergütungsregeln nicht mit sich bringen.
Bei den Verhandlungen zu einer Novellierung des Normvertrages, die wir vor gut einem Jahr abgeschlossen haben, hielten die Verlage eisern an der Regelung fest, die Gesamtdauer der Urheberrechtsverwertung auf 70 Jahre über den Tod der Autorin oder des Autors hinaus festzuschreiben. Von Seiten des VS haben wir kürzere Zeiten im Interesse der Urheberinnen und Urheber gefordert, mit der Bereitschaft für flexible Reglungen entsprechend den spezifischen Branchenbedingungen.
Durch Vergütungsregeln kann der im Entwurf vorgesehene Rechterückruf nach 5 Jahren durchaus auch branchenspezifisch ausgestaltet werden. Diesen Weg aber will der Börsenverein nicht gehen, die Verlage sollen erneut und weiterhin mit den einzelnen Autoren verhandeln und die Vertragsdauer diktieren können. Die Konsequenzen zum Nachteil der Autorinnen und Autoren dürften jedem Betroffenen zur Genüge bekannt sein.
Es ist uns allen bewusst, dass Urheberinnen und Urheber für den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Werke auf Verleger, Produzenten, Vermittler und andere Verwerter angewiesen sind. Aber eine „ewige“ Rechteübertragung zu Lasten der Autorinnen und Autoren kann dafür nicht unsere Lösung sein. Wir sind bereit, gemeinsam praktikable Wege in Verhandlungen zu finden.
Die Verlage argumentieren andererseits mit den stattfindenden Veränderungen im Buchmarkt. Wir teilen mit ihnen durchaus die Einschätzung, dass große Konzerne wie z. B. Amazon hier ihr Geschäft machen wollen. Vor Amazon und Konsorten müssen sich nur Verlage fürchten, die Autorinnen und Autoren schlecht behandeln: Niemand wird nach 5 Jahren zu solchen Unternehmen wechseln, wenn der Verlag anständige Konditionen vereinbart hat. Autorinnen und Autoren wissen die Leistungen von Verlagen durchaus zu schätzen. Gegen die Politik Amazons gehen wir schon lange massiv an. Gern machen wir das auch mit den Verlagen, das setzt allerdings gemeinsam gefundene faire Vergütungsregelungen voraus.
Wir bitten alle Mitglieder nachdrücklich, den offenen Brief gegen die Regelung im Referentenentwurf nicht zu unterzeichnen. Wenn das bedingte Rückrufsrecht fällt, ist uns die entscheidende Möglichkeit genommen, auf faire gemeinsame Vergütungsregelungen zu drängen und diese im Interesse beider Vertragsseiten abzuschließen.
Bitte unterstützt mit uns gemeinsam das Zustandekommen eines verbesserten Urhebervertragsrechtes, wie es der Justizminister vorschlägt. Unterzeichnet den offenen Brief nicht!
In der kommenden Woche werden wir dem Justizminister unsere Stellungnahme zum Referentenentwurf übermitteln und auch für euch auf der Homepage veröffentlichen.
Mit besten Grüßen
VS-Bundesvorstand