Widmar Puhl

Ein Lesefest als Kulturbrücke

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Yamen 2BHussein 2B01Foto 2B02 MG 9865Am 28. August 1819 erschien bei der Cotta´schen Verlagsbuchhandlung in Stuttgart die Erstausgabe des „West-östlichen Divans“ von Johann Wolfgang von Goethe. Als fiktiver Dialog mit dem persischen Dichter Hafis aus Schiras wurde dieses Buch zur ersten Kulturbrücke zwischen Orient und Okzident. Daran erinnert ein Festival in Stuttgart vom 29. November bis zum 1. Dezember. Mit dabei: Dichterinnen und Dichter aus Ländern des islamischen Kulturkreises und aus dem deutschen Sprachraum. 

Gemeinsam zu lesen und über ihre Arbeit zu sprechen, vor allem aber persönlich fortzusetzen, was Goethe begonnen hat, das ist das Vorhaben der Festival-Akteurinnen und Akteure, die am 1. Adventswochenende 2019 in die Internationalen Bachakademie, ins Welthaus am Charlottenplatz, ins Zimmertheater Stuttgart und ins Alte Feuerwehrhaus Süd nach Heslach kommen werden. Hinter dem Programm des Poesie-Festivals „200 Jahre West-östlicher Divan“ stehen der Initiator Widmar Puhl, Ahmet Gül vom Verein Turkuaz, Cornelia Lanz von Zukunft Kultur und Maria Tramountani von der Autorengruppe „Literally Peace“.

Der Literaturwissenschaftler, Lyriker und Essayist Puhl, seit Jahrzehnten VS-Mitglied, begeisterte zunächst Ahmet Gül von seiner Idee – nach bleibenden Erfahrungen beim TRIMUM-Projekt der Bachakademie in den Jahren 2012 bis 2014, das damals Menschen jüdischen Glaubens, Christen und Muslime für geistliche Musik zusammenführte. Der türkische Kulturverein Turkuaz ist schon häufig als Konzertveranstalter in Erscheinung getreten und begleitet das Festival mit seinem Chor und Instrumentalisten.

Kultur als Schlüssel zum Respekt

Der Dialog zwischen westlicher und östlicher Poesie ist Puhl ein Herzensanliegen. „Dichtung kann Kulturen einander näher bringen, wenn Verständnis und Respekt an die Stelle der verbreiteten Furcht vor dem Fremden treten“, sagt er und sieht einen Zusammenhang zwischen 1819 und 2019. Als Goethes „West-östlicher Divan“ erschien, sei die Erinnerung an die Türkenkriege noch sehr frisch gewesen. Und auch heute noch werde die islamische Welt kaum als Kulturraum wahrgenommen, sondern stehe eher als unmenschlich und kulturfeindlich unter Generalverdacht.

Die breite Zahl der Unterstützer zeigt, dass Puhl mit seiner Haltung nicht alleine dasteht. Geld für das anspruchsvolle Programm gaben das Kulturamt der Stadt Stuttgart, die Hamburger ALE-Stiftung, die Berthold Leibinger Stiftung, die LBBW Stiftung und der Verlag Klett Cotta. Weitere Unterstützung kommt vom ABV-Zimmertheater Stuttgart sowie Vereinen wie Zukunft Kultur, Welthaus, Stuttgarter Schriftstellerhaus und der Akademie für gesprochenes Wort.

Das Programm des Festivals

Freitag, 29. November, 19 Uhr: „Karawanserei“ – Bachakademie Stuttgart. Lesung mit den Lyrikern Safiye Can, Najet Adouani (Tunesien) vom PEN-Programm „Writers in Exile“ und Farhad Showghi, dem Peter-Huchel-Preisträger 2018. Musik: Zura Dzagnidzse, Gitarre.

Samstag, 30. November, 15 Uhr: „Wenn Gedichte vereinen – ein syrisch-deutscher Literaturnachmittag mit Literally Peace“. „Globales Klassenzimmer“ im Welthaus am Charlottenplatz. Eine Skype-Lesung mit Steffen Gärtner und Autor*innen der Gruppe Literally Peace. Musik: Duo Ophilia (Julia Hoffmann & Jessica Haas).

Samstag, 30. November, 19 Uhr: „Dialog unterwegs“. ABV-Zimmertheater Stuttgart. Lesung mit der Schweizer Lyrikerin Ruth Loosli und Yamen Hussein (Foto oben) vom PEN-Programm „Writers in Exile“ aus Syrien. Musik: Nefi Akkaya, Rohrflöte (Ney).

Sonntag, 1. Dezember, 19 Uhr: „Divan – Träume und Albträume“. Altes Feuerwehrhaus Süd. Romantischer Liederabend nach Divan-Gedichten Goethes: Cornelia Lanz (Mezzosopran) und Yukiko Naito-Fendrich (Klavier). Rezitationen: Zukunft Kultur e.V. und Akademie für gesprochenes Wort und Flüchtlinge. Widmar Puhl liest neue Divan-Gedichte: „Suleikas rebellische Kinder“. Musik-Finale: Turkuaz-Chor und Ensemble.

Download: Programmflyer des Festivals (3,17 MB)

Make Solidarität great again

UmfrageVSBaWue
UmfrageVSBaWue

Ein Gefühl dafür zu bekommen, wie die Mitglieder des VS in Baden-Württemberg ticken, was sie sich wünschen, was sie erwarten – das war das Ziel einer Umfrage, die der Landesvorstand Ende 2018 vorstellte. Auf der Mitgliederversammlung 2019 am 20. Juli standen die Ergebnisse zur Debatte – plus ein Antrag von Widmar Puhl zu Lizenzgebühren für das Fotografieren und die Nutzung dieser Fotos von gemeinfreien Objekten.
Viel ist in diesem Jahr intern schon gesprochen worden über die aktuell fehlende Strahlkraft des VS in die deutsche Öffentlichkeit hinein. Nicht nur beim Bundeskongress in Aschaffenburg, sondern auch in Stuttgart bei der Mitgliederversammlung des VS Baden-Württemberg. Darüber etwa, dass die Jungen fehlen, mutmaßlich, weil sie sich andere Gemeinschaften suchen als unsere verstaubt wirkende Gewerkschaft. Oder weil sie sich eher als Individualisten und Einzelkämpfer sehen. Darüber auch, dass es kaum lautstarke Prominente im VS gibt.

Sie hätten es eben nicht nötig, prognostizierte ein Mitglied im Stuttgarter Deli und klang ein wenig resigniert. Über den Begriff der Solidarität sprach man daraufhin auch – und Martin von Arndt, der gemeinsam mit Christine Lehmann den VS-Landesvorsitz innehat, äußerte sich hoffnungsfroh. In den Schreibkursen mit jungen Menschen, die er leite, sei das, was man gemeinhin unter Solidarität versteht – also sich für andere und für die gute Sache stark zu machen – wieder spürbar.

Bei der Umfrage nach der Motivation für ihre Mitgliedschaft befragt, gaben 87,7 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer die rechtliche Hilfe bei Unklarheiten als Grund an. 73,7 Prozent erhoffen sich einen Austausch mit anderen. Die Möglichkeit, im Bereich „Sonstiges“ eigene Antworten hinzuzufügen, nutzten mehrere, um ihre Überzeugung kundzutun, dass es in ihren Augen eine starke Interessenvertretung der Schriftstellerinnen und Schriftsteller brauche – und dass der VS stärker werden müsse, als er sich momentan präsentiere.
Dann wäre es auch leichter, auf jene Missstände hinzuweisen, die die Mitglieder beschäftigen. Eine drohende oder bereits spürbare Altersarmut und Urheberrechtsverletzungen bzw. eBook-Piraterie wurden in der Umfrage explizit genannt.

Aufruf zum Dialog

Kritik äußerten vereinzelte Mitglieder auch an der Vorstandsarbeit innerhalb des VS. Die Haltung in der Auseinandersetzung um die VG Wort, zu viel oder zu wenig Politik, ein zu starker Fokus auf die Interessen Stuttgarter Kolleginnen und Kollegen – dies und weiteres nannten die Abstimmenden. Christine Lehmann rief in der Mitgliederversammlung dazu auf, dass sich Unzufriedene stärker direkt zu Wort melden, damit der Vorstand sich mit ihrer Kritik auseinandersetzen könne.
 
Vermisst werden von vielen die Sommertage, rund zwei Drittel wünschen sie sich zurück. Stattfinden sollen sie der Mehrheit zufolge in einer verkehrstechnisch gut erreichbaren Kleinstadt. Der Vorstand hat dazu mit einem potenziellen Partner Verhandlungen aufgenommen.
Befragt nach den weiteren Aktivitäten, um die sich der VS bemühen sollte, wünschten sich 61,4 Prozent Seminare, speziell zum Thema Selbstvermarktung. Kulturpolitische Themen, rechtliche Fragen wie das Urheberrecht, der Buchmarkt und die Selbstpräsentation fänden ähnlich großes Interesse. Für Interessierte lohnt sich eventuell ein Blick auf das vielfältige Seminarprogramm des Förderkreises deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg.

Diskussion zu Lizenzgebühren

Nach der Debatte über die Umfrage beschäftigte sich die Mitgliederversammlung noch mit einem Antrag von Widmar Puhl, der VS-Bundesvorstand möge sich dafür einsetzen, dass staatliche Institutionen keine Lizenzgebühren erheben für das Fotografieren und die Nutzung dieser Fotos von gemeinfreien, also historischen Objekten, die sich in Staatsbesitz befinden.
Puhl hatte für den Umschlag eines Lyrikbandes ein Foto eines 150 Jahre alten, somit gemeinfreien maurischen Mosaiks im Zoologisch-botanischen Garten Wilhelma in Stuttgart geschossen und eine Abdruckerlaubnis erbeten. Die Wilhelma verlangte im Gegenzug eine Gebühr von 100 Euro, weil sie den Lyrikband als kommerzielles Produkt einstufte und mit dem Fotoshooting eines Modemagazins verglich – zum Unverständnis nicht nur von Puhl, sondern auch einem großen Teil der anwesenden Mitglieder. Ihnen leuchtete nicht ein, dass Fotos eines historischen Gebäudes oder einer Anlage Gebühren unterliegen, die mit dem Urheberrecht nicht begründet werden können.
Puhls Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen.
VS Baden-Württemberg