Editorial zur FEDER September 2013 – Zeitschrift des VS Baden-Württemberg
Ein Rückblick auf vier Jahre als Landesvorsitzender und die Gründe, weshalb ich nicht mehr kandidiere:
Editorial
Mit den Wahlen am 16. November geht eine erfolgreiche Legislaturperiode beim VS Baden-Württemberg zu Ende. Wenn ich zurück blicke auf viele Jahre Vorstandsarbeit – ich bin seit 1997 dabei -, fällt mir eines auf: Früher diskutierten die Vorstandsmitglieder oft stundenlang über ein Thema, heute müssen wir einen Tagungsordnungspunkt nach dem anderen abhaken, so viel umfangreicher ist die Vorstandsarbeit im Laufe der Jahre und der Digitalisierung unseres Lebens geworden. Beständig ist dabei die Größe des Vorstands geschrumpft (wir waren mal neun!), und wir können uns weniger Sitzungen im Jahr genehmigen.
Begonnen hat mein Dasein als Landesvorsitzender mit schmerzvollen Verlusten unter den Kollegen: Walter Helmut Fritz, Pit Chotjewitz und Helmut Pfisterer starben, kürzlich starb mein Vorvorgänger Josef Hoben. Dann kam die unselige Diskussion um „Stuttgart 21“, bei welcher der Vorstand eine neutrale Haltung einnahm. Geduldig habe ich mir die Argumente der Befürworter und der Gegner angehört. Im Nachhinein bin ich froh, so gehandelt zu haben, auch wenn mir die Gegner heftig zusetzten. Fakt war: Der VS war ähnlich gespalten wie das Wahlvolk im Ländle, eine neutrale Haltung war die einzig richtige Entscheidung.
Dreimal fanden sehr erfolgreiche VS-Literaturtage statt, organisiert von Eva Ehrenfeld bzw. Christine Lehmann, die auch unsere neue Website und den Facebook-Auftritt betreut. Das Wissen des VS ist gefragter denn je. Beim Ministerium, bei den Landesliteraturtagen, beim Poesiefestival in Konstanz oder bei der Jury der Stadtschreiberstelle in Rottweil. Claudia Gabler organisiert demnächst ein Hörspielfestival in Lörrach, Tinos Engagement reichte gar über den Rhein ins Nachbarbundesland. Martin von Arndt ist als Redakteur der FEDER zuverlässig wie eh und je.
Eine neue Ära hat beim „Förderkreis deutscher Schriftsteller“ begonnen. Nach der Wahl von Ingrid Bussmann im März zur neuen Vorsitzenden knüpfen VS und Förderkreis wieder ihre alten Bande neu. Im Vorstand des Förderkreises vertritt uns Kollegin Birgit Heiderich, in der Jury Christine Lehmann.
Intensive Lobbyarbeit und die Hilfe von Leni Breymeier bescherten uns endlich wieder einen Rundfunkratssitz beim SWR. Intensiver Lobbyarbeit ist es auch zu verdanken, dass der VS nun über zahlreiche Kontakte zu Landes- und Kommunalpolitikern verfügt, was unter anderem bei der Diskussion um das Urheberrecht wichtig war und ist.
Trotz all dieser Erfolge werde ich nicht mehr als Vorsitzender kandidieren. Lange, sehr lange, habe ich mit mir gerungen. Es hat seine Gründe fast ausschließlich bei Verdi. Ich habe nicht nur zusehen müssen, wie die Arbeitsbedingungen immer schlechter wurden. Ich habe erlebt, wie sehr die Gewerkschaft ihre Ehrenamtlichen ausbeutet, allen voran unseren Bundesvorsitzenden Imre. Einige Landesverbände verhungern buchstäblich am ausgestreckten Arm und können nicht einmal ihre Mitglieder betreuen. Ich werde die rhetorisch versierte Friss-oder-stirb-Rede von Frank Werneke diesen Februar in Berlin nie vergessen, ich werde auch seine Mimik in Erinnerung behalten. Es geht Verdi nicht um den VS, nicht um Kultur. Die Gewerkschaft hat die Devise ausgegeben, wachsen zu wollen, und das um jeden Preis. Es geht um Mitglieder, es geht um Geld. Der VS ist mit seinen 3700 Mitgliedern schwach, der Fachbereich 8, bei dem der VS angesiedelt ist, schrumpft und wird weiter schrumpfen. Da hilft es auch nicht, dass der VS-Landesverband in Baden-Württemberg Mitgliederzuwächse zu verzeichnen hat.
Ich höre es tuscheln, ich lasse den VS und die Kollegen im Stich. Bedenkt, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie lange ich „gedient“ habe. Danke, liebe Eva, liebe Christine, liebe Claudia, lieber Martin, lieber Tino für vier Jahre gute und intensive Arbeit. Und ein schlichtes, aber herzliches Danke an Gerd Manthey, dem wir viel mehr zu verdanken haben, als die meisten von uns ahnen. Genieße Deinen wohlverdienten Ruhestand.
Euer
Matthias Kehle