Gedanken zum Bundeskongress des VS
Der Kongress der Echolosen
Der Schriftstellerkongress 2015 hielt nicht, was sein Name verspricht. Das sollte sich ändern.
Von Marc Bensch
Der VS hat eine neue Bundesvorsitzende. Das ist eine gute Nachricht. Nicht weil Imre Török ein schlechter Vorgänger gewesen wäre – an seinem riesigen Engagement und seinen Errungenschaften in den vergangenen zehn Jahren gibt es keinen Zweifel. Aber weil Eva Leipprand in ihrer Antrittsrede klar gemacht hat, dass Strukturdebatten ihr fern liegen, dass sie eine Frau für Inhalte ist.
Mit Strukturdebatten haben sich der VS und seine Mitglieder in den vergangenen vier Jahren intensiv aufgehalten, haben sich an ihnen ge- und zerrieben. Den Beschluss der Delegierten des Schriftstellerkongresses 2011, die Zusammenarbeit mit ver.di neu zu verhandeln, konnte der alte Vorstand nicht umsetzen. Das ist ärgerlich, in mehrfacher Hinsicht.
Der Status quo ist unbefriedigend. Und die Art und Weise, wie der alte Bundesvorstand gemeinsam mit den Landesvorsitzenden den Beschluss des höchsten VS-Gremiums ausgehebelt hat, war formal unsauber. Dafür gab es berechtigten Unmut. Die Aussprache zeigte aber auch, dass es auf die Frage, wie der VS mit oder ohne ver.di weitermachen kann und soll, keine leichte Antwort gibt – und erst recht keine einvernehmliche.
Weil demnach vorerst alles im Wesentlichen beim Alten bleibt, ist es nun Zeit für andere Fragen, Zeit für äußere Debatten statt für innere. Wo ist sie denn, die laute, kräftige, selbstbewusste Stimme der vereinten deutschen Schriftsteller, wenn es um die zukunftsweisenden gesamtgesellschaftlichen Fragen geht? Warum hört man sie nicht?
Der Begriff Schriftstellerkongress für jenes allvierjährliche Zusammentreffen verspricht mehr als er hält. Die VS-Geschäftsordnung sieht begleitend zum Kongress literatur- und kulturpolitische Foren vor. Anno 2015 diskutierte man mit Ulrich Janßen aus dem Vorstand der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union sowie mit Aiman A. Mazyek, dem Vorstandsvorsitzenden des Zentralrats der Muslime, über Charlie Hebdo und die Folgen.
Summa summarum war das unergiebig und blieb ohne Echo. Ist es aber nicht eine der größten Herausforderungen und Freuden des Schriftstellers, ein Echo auszulösen? Indem er anstößt und nicht nachplappert, indem er thematisiert, was aus dem Fokus gerückt ist oder womöglich noch nie im Fokus war, dort aber dringend hingehöre.
Eva Leipprand sprach in ihrer Rede über die Wirksamkeit der Literatur und derer, die sie erschaffen. Sie sprach über den gefühlten Widerspruch von schriftstellerischem Einzelgängertum und gewerkschaftlicher Arbeit. Wo, wenn nicht auf einem Schriftstellerkongress, bestünde die große Chance, massiert an die Öffentlichkeit zu treten, der internen Pflicht in Form von Anträgen und Wahlen eine nach außen getragene Kür beizumischen?
Der Schriftsteller habe das Recht, die Welt in Worte zu fassen, und die Verpflichtung, den Blick aufs große Ganze zu richten, sagte Eva Leipprand. Für ihre um Inhalte bemühte Arbeit kann man der neuen Bundesvorsitzenden nur viel Kraft und Erfolg wünschen.