Wir trauern um Christa Wolf

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Die große deutsche Schriftstellerin ist heute im Alter von 82 Jahren in Berlin gestorben.

Geboren in Polen, geflohen und aufgewachsen im von einer Mauer geteilten Deutschland, ein deutsches Leben, aber eben eines, das bis 1989 im Osten gelebt wurde. Sie hat es beschrieben im „Kindheitsmuster“, einem Roman, der in der DDR mit dem Tabu brach, dass nicht über Flucht und Vertreibung der Deutschen berichtet wurde. 1961 in ihrer „Moskauer Novelle“ ist sie noch begeistert in die Zukunft eines sozialistischen Staates aufgebrochen, noch glaubend, er werde ihre Utopie verwirklichen. Nie hat sie die Wahrheit behauptet, immer hat sie sie gesucht, und nie war sei einfach oder in einem Satz zu sagen. Sie wollte der DDR nicht den Rücken kehren, doch im Lauf der Jahre klafften Utopie und Realität immer weiter auseinander. Christa Wolf hat ihr Leben und Schreiben lang die Nachdenklichkeit, die Offenheit, Vertrauen und Respekt vor dem Individuum der Realität entgegengesetzt, die auf funktionierende Menschen, auf Technokraten und Automatismen setzte, in West wie Ost. Sie hat feministische Konzepte gegen die kriegstreiberischen der Politiker und Funktionäre gesetzt. Ihre Protagonistinnen litten an Gefühlskälte, Grausamkeit und Herrschaftsstrukturen, entlarvten Männer und patriarchalische Gesellschaften als technokratisch, dämagogisch und dem Automatismus von Machtspielen ausgeliefert. Sie war eine zurückhaltende, fast scheue Frau, die viel wusste, aber niemals alles besser wusste.
Christine Lehmann

Imre Török, Bundesvorsitzender des VS, schrieb anlässlich der Verleihung des Thomas-Mann-Preises im vergangenen Jahr: »Ich freue mich sehr, dass Dein Werk, das Du zuletzt mit Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud so erfolgreich fortgesetzt hast, eine angemessene Würdigung findet.« Der VS schätze Christa Wolf, so Török weiter, als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftstellerinnen der Gegenwart. Ihr Renommee, ihr gesellschaftliches und kritisches Engagement habe nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und weltweit unserer Sprache und unserem Land Aufmerksamkeit und Anerkennung verschafft. Ausdrücklich bedankte sich Imre Török auch dafür, dass sich Christa Wolf mit ihrer Literatur stets eingebracht habe in die Auseinandersetzungen der Zeit, dass sie sich kritisch und selbstkritisch engagiert und als großartige Literatin im Dialog mit ihren Leserinnen und Lesern ihrer politischen Verantwortung für eine humane Gesellschaft nachkomme. »Wir, Deine Kolleginnen und Kollegen im VS«, schloss Török, »wünschen, dass uns Dein kritischer Geist, Dein künstlerischer Schaffensdrang weiterhin wachsam und pointiert begleitet«.

Christa Wolf wird uns allen im literarischen Leben sehr fehlen, der kritische Geist der Bürgerrechtlerin und einer der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftstellerinnen wird uns aber weiter begleiten und uns zur Wachsamkeit im Sinne ihres großartigen Werkes mahnen.

Jürgen Lodemann

Juergen Lodemann

Erfinder der Bestenliste, Moderator, Ruhrromane, Ehrenvorsitzender des VS Baden-Württemberg

1936 in Essen geboren, Studium in Freiburg (Philosophie, Literatur, naturwissensch. Geographie), Staatsexamen und Promotion („Bürgerlichkeit“), 30 Jahre Filmemacher und Moderator beim Fernsehen in Baden-Baden, heute SWR.
    Erfand 1975 gegen die Bestsellerlisten die „Bestenliste“, die noch heute wirksame Qualitätsliste der deutschsprachigen Literaturkritik, mit potentiell 100 Juroren aus Österreich, Schweiz und der Bundesrepublik (genehmigt wurden nur 35).
   Debut als 39-Jähriger mit Anita Drögemöller und die Ruhe an der Ruhr, dem ersten Roman mit reinem Ruhrdeutsch. Stern: „Schreibtischwüstling“. Max von der Grün: „Die deutsche Literatur ist arm an solchen Büchern, die so leicht zu lesen sind und doch einen ernsten sozialen Hintergrund vermitteln.“
   1980 Ahnsberch, Volksstück über die Räuber an der Ruhr. Ein Jahr lang in Peymanns „Bochumer Ensemble“. Der Traum vom autonomen Ruhrgebiet.
   1985 Essen Viehofer Platz, Roman. Das Ruhrrevier als Modellfall von Medienmafia und Prekariat. Volker Hage (damals FAZ): „…Und der Erotik wird in der deutschen Literatur endlich wieder zu ihrem Recht verholfen: Lodemann versteht es …“
   2000 Lortzing, der 1848er, der Texter, der Theatermusiker, der Autor von Text und Musik zur ersten und einzigen Arbeiter-Oper, zur Freiheits-Oper „Regina“.
  2002 Siegfried und Krimhild. Die Nibelungenchronik, gemäß Heiner Müllers „die Nation beerdigen“. Nach ältesten Quellen die Nibelungen als europäischer Stoff. Jung-Siegfried authentisch an den nachweislich ältesten Schmiedestätten. Altgermanist Otfrid Ehrismann: „ . . . hat dem Nibelungenmythos eine neue und zukunftsfähige Würde gegeben.“
  2008 Paradies, irisch, eine frühe Stadt-Geschichte, so intim wie politisch, es geht um Grundrechte. Im 800-jährigen Krieg gegen England ist Galway eine Friedens-Insel, ein Wirtschaftswunder. Die atlantische Hafenstadt als Biotop der Lebenskünste der Dynastie Lynch. Und dann der Absturz. Laut Erich Fromm „Tragedy of justice“. Deutschlandradio: „meisterlich“.

VS warnt vor mörderischem Abgrund

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„Die rassistischen Morde rechtsextremer Terroristen in Deutschland müssen unsere Gesellschaft in höchstem Maße alarmieren, sie zeigen das wahre abscheuliche Gesicht der Neonazis, Hassprediger und ihrer Sympathisanten. Der stupide und mordwütige Hass der Rechtsradikalen auf Menschen mit ausländischer Herkunft erschüttert die humanistischen und kulturellen Werte in Deutschland und in Europa“, sagt Imre Török, Vorsitzender des Verbands deutscher Schriftsteller.
     Besonders beschämend und erschreckend ist für den Bundesvorsitzenden des Schriftstellerverbands, dass auch Autoren mit ihren Publikationen und Äußerungen an der Vergiftung des geistigen Klimas beteiligt waren und sind. Der VS warnt seit jeher vor Rassismus und Ausländerfeindlichkeit in Deutschland und in Europa, nicht zuletzt in Veranstaltungen zusammen mit amnesty international.
In Deutschland sind Thesen über Migranten wie im Buch des Autors Thilo Sarazzin Öl ins braune, rechts-terroristische Feuer. In Ungarn wurde unlängst der bekennende antisemitische Autor István Csurka zum Leiter eines Budapester Theaters berufen. Der VS ruft weiterhin dazu auf, die internationale Petition gegen diesen skandalösen Vorgang zu unterzeichnen:
http://www.aznemlehet.net/p/peticio-petition.html
    „Als Erben der europäischen Aufklärung müssen Intellektuelle mit aller Kraft und solidarisch in allen Ländern der Europäischen Union verhindern, dass sich der Moloch der Menschenverachtung in Europa ausbreiten kann“, so Török.

Wo keine Freiheit ist, hat Kunst keine Heimat

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Schriftsteller und Künstler protestieren gegen Unterdrückung und Zensur in Weißrussland

»Eine Diktatur mitten in Europa: Oppositionelle werden verfolgt, unbotmäßige Medien verboten, kritische Künstler un-terdrückt. Das ist nicht hinnehmbar, das muss von allen demokratischen Kräften eindeutig verurteilt werden«, sagt Imre Török, Vorsitzender des Verbandes deutscher Schriftsteller. »Wir, die Künstler und Intellektuellen, gerade in Deutschland, haben für die demokratischen Freiheiten eine besondere Verantwortung«.

In der Republik Weißrussland kursieren derzeit Listen mit den Namen von Autorinnen und Künstlern, deren Werke willkürlich als »jugendgefährdend« bezeichnet werden, um sie aus den Zeitungen und Journalen, aus den Sendungen von Radio und Fernsehen, von den Konzertbühnen und aus den Theatern zu verbannen. Diese Form von Zensur widerspricht dem Verständnis von einer freien, vielgestaltigen Kunst und Kultur. In einem offenen Brief wird der Präsident Weißrusslands aufgefordert, der Verbreitung und Verwendung dieser »Schwarzen Listen« unverzüglich Einhalt zu gebieten.

»Wir wollen ein sichtbares Zeichen der Solidarität mit unseren unterdrückten Kolleginnen und Kollegen in Weißrussland setzen«, erklärt Imre Török. »Deshalb haben wir beschlossen, dem Botschafter der Republik Weißrussland in Berlin diesen offenen Brief zu übergeben«.

Der Verband deutscher Schriftsteller und die Erstunterzeichnenden rufen alle Autorinnen/Autoren, Künstlerinnen/Künstler und Gleichgesinnten auf, den Protest mit ihrer Unterschrift zu unterstützen und den offenen Brief an de Präsidenten der Republik Weißrussland zu unterzeichnen.

Schreiben ist eine hohe Kunst

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… und wird doch von Politik und Gesellschaft oft so gering geschätzt.

Die Vollversammlung des VS in Stuttgart am 12. November 2011 im Ratskeller hat beim traditionellen Schriftstelleressen auf Einladung der Stadt Stuttgart lebhaft Frage diskutiert, wie wir Autorinnen und Autoren unsere Präsenz in der Öffentlichkeit stärken können. Mit Entsetzen haben wir wieder einmal vernommen, wie hoch die Selbstausbeutung im Bereich von Verbänden, Stiftungen und Fördereinrichtungen für Literatur ist. Schreiben ist die Basis-Kunst für unsere Kultur. Ohne Worte geht es nicht. Worte sind wertvoll.
Christine Lehmann

Hinweis: Die nächsten VS-Literaturtage finden vom 3. bis 6. Mai 2012 in Heilbronn statt. 

Bücher im Kubus

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Die neue Stadtbibliothek Stuttgart ist offen. Noch steht sie etwas einsam hinterm Bahnhof im Europaviertel. Nachts leuchtet sie blau, tags wirkt sie spröde. Das architektonische Spiel mit dem einen Parameter Kubus ist für Stuttgarts Bauten typisch, hier aber neu interpretiert: unten ein flacher quadratischer Saal, im Bau ein absolut würfelförmiger Leerraum, darum herum Treppenhaus, umhüllt von einem Kubus. Und ganz oben die Halle der Bücher, welche in ihrer architektonischen Feierlichkeit an barocke Bibliotheken erinnert.
Schön.
Christine Lehmann

Stadtbibliothek Stuttgart

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Die Feder – September 2011 – ist da

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
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in diesem Herbst ist Halbzeit für den VS-Vorstand, den Ihr vor zwei Jahren gewählt habt. Wir sind damals angetreten, den VS zu erneuern, zu verjüngen und zu modernisieren. Das erste Jahr unserer Amtszeit wurde von der Debatte um „Stuttgart 21“ dominiert. Im Jahr 2011 haben wir uns an die versprochene „Erneuerung“ gemacht. Nicht nur, dass wir dabei sind, eine Website zu erstellen und einen Facebook-Auftritt installiert haben. … Wir möchten deshalb bei der Mitgliederversammlung unter anderem darüber sprechen, ob „alte Hasen“ im VS Patenschaften für junge Autorinnen und Autoren übernehmen könnten. Ein junger Autor aus Karlsruhe beispielsweise könnte von mir „betreut“ und „beraten“ werden, eine junge Autorin aus Stuttgart etwa von Christine Lehmann oder Martin von Arndt. … 
Matthias Kehle

VS- Ehrenvorsitzender Jürgen Lodemann auf SWR-Bestenliste

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Jürgen Lodemann steigt mit »Salamander« im Oktober auf Platz 5 der SWR-Bestenliste ein. ›Die Welt‹ feierte Lodemann für diesen in Freiburg spielenden Gesellschafts- und Politroman bereits als »emphatischen Freiburgversteher, glühenden Lokalpatriot, wortgewaltigen Priester des südbadischen Savoir-vivre«, die ›Stuttgarter Zeitung‹ lobte das Buch als »Grübelstoff aus deutscher Geschichte und Gegenwart, und das richtig unterhaltsam verpackt«, die ›Badische Zeitung‹ bescheinigte »inspirierende Wortgefechte«.

Wir gratulieren unserem Ehrenvorsitzenden zu diesem Erfolg!

Zum Inhalt: Ein Plädoyer für die Einzigartigkeit des Menschen, für Humanismus, Liberalismus und Wachsamkeit gegenüber allem, was diese Werte bedroht.
Ein Gesellschafts- und Politroman, eine Art kritische Liebeserklärung an Freiburg, dieser Stadt, deren Namen für den Protagonisten Programm ist. Er, Harry Holterhoff, ein alter Autor und ‚Erklärbär‘, engagiert sich für eine Arbeiter- und Freiheitsoper aus dem Jahre 1848 und wird in erotische Angelegenheiten wie auch Geheimdienst-Aktivitäten verwickelt. Und dann erweist sich die die schöne Studentin, die der Schriftsteller bei sich aufnimmt, als verkappte „SheMale“, als getarnter „LadyBoy“ – als wunderschöne Konfrontation mit dem Anderssein.

VS steht hinter streikenden Zeitungsredakteuren

StreikVS

Der VS-Baden-Württemberg unterstützt den Streik der Zeitungsredakeure und Redakteurinnen in ihrem Ringen um eine angemessene Bezahlung journalistischer Arbeit. Wir Schriftstellerinnen und Schriftsteller haben ein großes Interesse daran, dass der Zeitungsjournalismus sein hohes Niveau behält. Aus Erfahrung wissen wir, dass geringe Entlohnung Mehrarbeit unter Zeitdruck zur Folge hat. Wer weniger verdient, muss mehr schreiben. Das raubt Zeit für Recherche und zum Nachdenken. Wir wollen jedoch Zeitungen, die sich fundiert über die Tagesaktualität hinaus mit den politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Themen unserer Zeit beschäftigen. Wir appellieren an die Zeitungsverleger, Arbeit und Ansehen von Zeitungsjournalisten nicht dadurch zu entwerten, dass die Einstiegsgehälter gesenkt werden. Zeitungsjournalismus verlangt Klugheit, nicht Schnelligkeit, Recherche nicht Gemeinplätze und dafür brauchen Journalisten Zeit durch angemessene Bezahlung ihrer Einzelleistungen.
VS Baden-Württemberg