Nachruf auf Martin Walser

Der Verband deutscher Schriftsteller*innen trauert um Martin Walser. Er starb am 28. Juli 2023 im Alter von 96 Jahren.
Walser war einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller und Mitglied unseres Schriftsteller*innnenverbands.

Den Tod gibt es nicht, so wenig wie das Leben. Nur Wörter, an die wir uns halten können in all der Leere.

Zitat aus Martin Walsers „Sprachlaub oder: Wahr ist, was schön ist.“

Martin Walser wurde 1927 in Wasserburg am Bodensee geboren, wo seine Eltern ein Bahnhofsrestaurant und eine Kohlehandlung betrieben. Das Milieu, in dem er aufwuchs schilderte er in seinem Roman Ein springender Brunnen. Er besuchte die Oberrealschule in Lindau und wurde 1943 als Flakhelfer eingezogen. Nach Kriegsende machte er in Lindau das Abitur, studierte in Regensburg und Tübingen Literaturwissenschaft, Geschichte und Philosophie und schloss mit einer Dissertation über Franz Kafka 1951 sein Studium ab. 1949 begann Martin Walser für den neu gegründeten Süddeutschen Rundfunk Hörspiele zu schreiben und war am Aufbau des Fernsehbereichs des Senders beteiligt.

Seit 1953 wurde Martin Walser regelmäßig zu den Tagungen der Gruppe 47 eingeladen, 1955 bekam er für seine Erzählung Templones Ende eine Auszeichnung. Sein erster Roman Ehen in Philippsburg erschien 1957 und wurde ein großer Erfolg. In den sechziger Jahren setzte er sich wie viele linke Intellektuelle für die Wahl von Willy Brandt zum Bundeskanzler ein. Er engagierte sich gegen den Vietnamkrieg und reiste nach Moskau. Er galt als Sympathisant der DKP.

Martin Walser, hier mit Imre Török (ehemaliger Landesvorsitzender des VS Baden-Württemberg)
Martin Walser (rechts im Bild), hier mit Imre Török (ehemaliger Landesvorsitzender des VS Baden-Württemberg)

Martin Walsers Romane erschienen bei Suhrkamp. Nach dem Tod von Siegfried Unselt zog er 2004 mit seinen Werken zum Rowohlt-Verlag um, was eine Klausel in den Verlagsverträgen möglich machte. Dabei spielte nach Aussagen Martin Walsers auch die mangelnde Positionierung des Verlags im Streit um den Roman Tod eines Kritikers (2002) eine Rolle, in dem Martin Walser den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki angegriffen hatte.

Martin Walsers literarisches Werk umfasst gut siebzig Romane und mehr als ein Dutzend Theaterstücke. Er gilt als typischer Vertreter der deutschen Nachkriegsliteratur in einer Reihe mit Heinrich Böll, Peter Handke oder Siegfried Lenz, die weniger Augenmerk auf die Entwicklung einer äußeren Handlung und vielmehr auf innere Prozesse gebrochener Held*innen richten, die sich den Ansprüchen des Lebens und der gesellschaftlichen Normierungen nicht gewachsen fühlen.

Immer wieder führten Bücher, Theaterstücke und Reden Martin Walsers zu heftigen öffentlichen Kontroversen, so auch seine Rede in der Frankfurter Paulskirche 1998 anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels an ihn, in der er den unauflöslichen Widerspruch zwischen dem ehrlichen Empfinden „unvergänglicher“ deutscher Schande angesichts des Holocausts und einer inneren Gegenwehr gegen den als ritualisiert empfundenen Vorhalt dieser Schande reflektiert.

Martin Walser hat über 40 Auszeichnungen als Preise und Ehrendoktorwürden erhalten, darunter 1987 das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, 1992 die Aufnahme in den Orden Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste, 1998 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels, 2008 den Corine-Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten für sein Lebenswerk und zuletzt 2015 den Internationalen Friedrich-Nietzsche-Preis für sein Lebenswerk.

Walser war Mitglied im VS in ver.di, im P.E.N.-Zentrum Deutschland, in der Akademie der Künste Berlin, in der Sächsischen Akademie der Künste und in der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Er lebte in Überlingen am Bodensee. Seine gesammelten Werke – samt Fotos, Computerdateien und seiner privaten Bibliothek – übergab er im vergangenen Jahr dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach als sogenannten Vorlass. Es sind 75.000 handschriftliche Seiten, darunter 75 Tagebücher.

Zuletzt sind von ihm erschienen:

  • Mädchenleben oder Die Heiligsprechung. Legende. Rowohlt, Hamburg, 2019
  • Sprachlaub oder: Wahr ist, was schön ist. Rowohlt, Hamburg, 2021

 

Wir trauern um Claudia Beate Schill

Ein Portrait von Claudia Schill von Eva Zippel

Claudia Schill, gestaltet von Eva Zippel, 2000

Der Verband deutscher Schriftsteller*innen trauert um unser Mitglied Claudia Beate Schill.

Sie verstarb am 11. November 2022 kurz vor ihrem 70. Geburtstag in Kemnat bei Stuttgart. Claudia Schill wurde am 17. November 1952 in Tübingen geboren, genoss eine Ausbildung zur Journalistin und studierte Sprachen in Heidelberg. Seit 1987 lebte sie in Kemnat (Ostfildern) und veröffentlichte Lyrik und Kurztexte in Literaturzeitschriften, Tageszeitungen und Anthologien. Regelmäßig reiste sie zu Literaturveranstaltungen nach Salzburg und ebenso regelmäßig nahm sie in Baden-Württemberg an den VS-Mitgliederversammlungen, Sommertagen und literarischen Veranstaltungen teil und wuchs uns als sprachsensible, einfühlsame und eigenständig denkende Persönlichkeit ans Herz. An ihr Verhalten und Schreiben stellte sie hohe ethische Ansprüche, für die sie nahezu aphoristische Formeln fand. »Ich habe sehr viele Bleistifte in meiner Handtasche und Bleistiftspitzer, ich habe eine wunderbare Waffe in der Hand«, sagte sie in einem Interview in der Salzburger Radiofrabrik und: »Gedichte müssen schwer sein, aber sie sind schlank.« 

Sie wird uns sehr fehlen. 

Hier ihre Veröffentlichungen: 

Revolution in Zeilen oder Suche nach dem verlorenen Paradies. Heidelberg 1978 

Deutschland – ein Eisalptraum. Schwandorf, 1981

Engel der Elegie. St. Michael/Österreich 1984

Macht Macht machtlos. Frankfurt/M. 1986

Vom Engel geführt. Weissach i.T. 2001

Immer werden wir Fremdlinge sein. Leipzig 2010

Menschen in Bewegung. Federzeichnungen. Leipzig 2010

 

Was kostet Kunst? Basishonorare für selbständige Kreative

Ver.di hat ausgerechnet, was KreativenDie Grafik zeigt in Kästchen Beispielhonorare. pro Stunde, pro Tag, pro Monat und im Jahr an Honorar gezahlt werden muss, damit der wahre Wert der Arbeit bezahlt und die Existenz gesichert ist. Die Honorare sind also Brutto-Honoare. Neben den Lebenshaltungskosten werden auch Sozialversicherungsbeiträge, laufende Betriebsausgaben und Steuern eingepreist. Dabei wird berücksichtigt, ob die Künstler:in Mitglied der KSK ist oder nicht.

Für eine Lesung beispielsweise gilt die Arbeitszeit von einem Tag nach EG 11. Das Honorar beträgt 382 Euro, wenn die Autorin oder der Autor in der KSK ist. Für eine Moderation errechnen sich bei 5,5 Stunden Arbeitszeit 264 Euro. Die Übersetzung eines 300-seitigen Romans, für den man 12 Wochen braucht, sollte mit 24.007 Euro bezahlt werden.

Hier im Detail nachzulesen

Neuwahl des VS-Landesvorstands

Der VS Baden-Württemberg hat einen neuen Landesvorstand – und wird weiblicher. Christine Lehmann wurde zur alleinigen Vorsitzenden wiedergewählt, Martin von Arndt ist in den nächsten vier Jahren ihr Stellvertreter. Als Beisitzerinnen wurden ebenfalls gewählt: Eva Ehrenfeld, Claudia Gabler, Ines Witka, Beate Rothmaier und Anne Richter.
Herzlichen Glückwunsch!

Angetreten, die Schreibbedingungen für Frauen zu verbessern

Der VS gratuliert Birgitta Heiderich sehr herzlich zu ihrem 75. Geburtstag am 26. Januar 2022.

Birgitta oder auch Birgit Heiderich wurde am 1947 in Schermbeck geboren. Sie studierte an der Universität Bonn Philosophie, Theologie und Pädagogik. Später war sie Redakteurin an der Universitätsbibliothek Tübingen. Bis zu ihrer Pensionierung arbeitete sie als Lehrerin. Sie lebt in Freiburg.
1980 erschien bei Suhrkamp ihr Roman »Mit geschlossenen Augen«. 1988 gab sie mit Anne Birk das »Lesebuch Schreibende Frauen« heraus. Es folgten der Kurzprosaband 1988 »Auskunft über das Reisen«, 2014 der Roman »Sterben hat seine Zeit. Ein Buch vom Abschied« und 2016 »Feuerspur. Eine Liebesgeschichte« bei Fischer.
Zwei Mal, 1982 und 1984, war Birgitta Heiderich Stipendiatin des Förderkreises deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg, 1986 erhielt sie das Stipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg und 1988 das Reisestipendium des Auswärtigen Amts Bonn. 2020 wurde Birgitta Heiderich für ihr Lebenswerk mit dem Maria-Ensle-Preis ausgezeichnet. Laudator Prof. Dr. Hansgeorg Schmidt-Bergmann sagte: »Birgit Heiderich gehört zu einer Generation, die Ende der 1960er Jahre angetreten ist, die ökonomischen Schreibbedingungen für Frauen zu verbessern.«
Heiderich hat sich in Baden-Württemberg auch als Beisitzerin im Vorstand bis 2017 für den VS engagiert und befördert über das Deutsch-Schweizer Autorentreffen in Rottweil den Kontakt zu den schreibenden Nachbarinnen und Nachbarn. Sie ist außerdem stellvertretende Vorsitzende des Förderkreises deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg.

Böll-Preis an José F. A. Oliver

Jose Oliver Fotograf Yves Noir 9685

Der Heinrich-Böll-Preis 2021 der Stadt Köln geht an unser Mitglied, den Lyriker und Essayisten José F. A. Oliver. Böll-Preis-Jurymitglied und Schriftsteller Guy Helminger begründet die Wahl so: „José F. A. Oliver gehört zu den herausragenden Lyrikern und Essayisten unserer Zeit. Die Sprachmagie seiner Verse sowie seiner Prosa, die ein Alphabet aus Aufbruch und Ankunft deklinieren, sind von analytischer Prägnanz, fein durchdacht und dabei von haptischer Lebenslust durchzogen.“

1961 im Schwarzwald geboren, thematisiere José F. A. Oliver in seinen Büchern immer wieder das Nomadische der Heimat, indem er auf seine andalusische Herkunft rekurriere und so fremde Kulturräume begehbar mache, so Helminger. Die sprachliche Nachbarschaft des Deutschen und Spanischen, des Andalusischen und Alemannischen, die in seinem Werk zu finden sei, vollziehe bei aller lokaler Verortung im Schwarzwald oder in Andalusien den Schritt ins Universale. Das aufklärerische Moment, das so zutage trete, die Auseinandersetzung mit Migration, mit Fragen der Integration, mit der Sprache als trennendem und verbindendem Element, stehe unverkennbar in der Tradition des Denkens Heinrich Bölls.

José F. A. Oliver wird den mit 30.000 Euro dotierten städtischen Literaturpreis der Stadt Köln am Freitag, 26. November 2021, 18.30 Uhr, im Historischen Rathaus der Stadt Köln entgegennehmen. Der Preis ist mit 30.000 Euro dotiert und zeichnet herausragende literarische Leistungen aus dem deutschsprachigen Raum aus.

(Foto: Yves Noir)

Lesungen sehen – Ein Bericht von Christa Ludwig

© Wolfgang Schmidt

Alle unsere Veranstaltungen wurden abgesagt, viele von Euch haben online gelesen, ich habe einiges angeschaut, war weitgehend gut gemacht, hat mich dennoch nicht überzeugt. Was bei mir ankam war: Die Präsenz des Autors fehlt! So suchte ich nach anderen Formen. Ich setze Euch unten einen Link zu den ersten Ergebnissen. Mein Plan: Ich trete ganz zurück und gebe dem Text eine eigene Optik. Ich arbeite hier mit nichts als PowerPoint, fast ein no-Budget-Projekt. Dabei entdeckte ich – learning by doing – was für reichhaltige Möglichkeiten PowerPoint hat und wie leicht alles umzusetzen ist.
Ich möchte Euch dies hier nicht nur vorstellen, sondern Euch auffordern, teilzunehmen am Erschaffen einer neuen Form von Lesung.
Wohin aber mit solchen Videospots? Überall posten? Das wird nicht viel bringen. Man kann dies gezielt einsetzen bei Lesewochen: In Bibliotheken, Buchhandlungen, Restaurants der veranstaltenden Stadt kann ein Bildschirm mit Kopfhörer zur Verfügung stehen und so auf eine Lesung aufmerksam machen.
Vor allem aber würde ich mir wünschen, mit einigen von Euch eine Website zu erstellen, auf der Ihr Euch mit solchen oder ähnlichen oder ganz anderen, immer ungewohnten Darstellungen Eurer Bücher präsentiert. Dazu fehlt mir das Knowhow, ich bin aber sicher, dass etliche von Euch kundig sind. Wenn eine solche Website, gut angekündigt, nicht nur mit der des VS, sondern mit allen wichtigen Literaturseiten verlinkt wäre, hätten wir eine neue Plattform, um uns und unsere Bücher zu zeigen.
Wer ist dabei?

Hier könnt Ihr einen Blick in meine bisherigen Produkte werfen.

Und wer mit mir Kontakt aufnehmen will, findet mich hier: christaludwig[ÄT]gmx[PUNKT]de

(Foto Christa Ludwig: Wolfgang Schmidt)

Neustart Kultur des VS BW: Reihe in Heidelberg und Mannheim startet

nsk

Am kommenden Mittwoch erfolgt der Startschuss, bis zum 14. Dezember folgen fünf weitere Termine. Unsere Regio-Gruppe Rhein-Neckar hat im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe „Neustart Kultur“ (gefördert mit Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien durch den Deutschen Literaturfonds) ein spannendes Programm auf die Beine gestellt. Es sieht folgendermaßen aus:

Mi., 17.11.2021, 19:00 Uhr
Blind date – wenn drei sich treffen: Markus Orths und Marion Tauschwitz im Gespräch mit ihren Protagonisten 

mit Markus Orths und Marion Tauschwitz
Montpellierhaus Heidelberg
Eintritt 5 Euro

Fr., 26.11.2021,  19:30 Uhr
Phantastik trifft Erotik
Ines Witka und Friedhelm Schneidewind
Stadtbücherei Heidelberg
Eintritt 5 Euro

Fr., 03.12.2021, 19:00 Uhr
Wolfgang Burger meets Crimi con Cello, das kriminell-musikalische Duo Anette Butzmann und Nils Ehlert
Wolfgang Burger, Anette Butzmann und Nils Ehlert
Lanz-Kapelle Mannheim
Eintritt 5 Euro

Di., 14.12.2021, 19:00  Uhr
Wächst das Rettende auch?
Marcus Imbsweiler und Gudrun Reinboth
Lanz-Kapelle Mannheim
Eintritt 5 Euro

ENTFALLEN LEIDER PANDEMIEBEDINGT:
Di., 07.12.2021, 19:30 Uhr
Neben der Spur
Anne Richter und Marlene Bach
Stadtbücherei Heidelberg
Moderation: Friedhelm Schneidewind
Eintritt 5 Euro

Do., 09.12.2021, 19:30 Uhr
Schall und Wahn
Meinhard Saremba und Silke Knäpper
Stadtbücherei Heidelberg
Eintritt 5 Euro

Wir freuen uns auf die Lesungen – und auf interessante, inspirierende und möglichst unbeschwerte Stunden.

VS Baden-Württemberg